Sonntag, 28. Juli 2013

Vegan essen auf Sylt - Sansibar

Tag 23

Die letzten kinderlosen Tage verlief mein veganes Essen sehr nebenbei und unspektakulär.
Ich entwickelte eine Vorliebe für Brot mit Erdnussbutter auf der einen Scheibe, Tomatenmark auf der anderen und dazwischen als Belag entweder Tomaten oder Blattsalaten.
Das war schnell gemacht und ich konnte ansonsten arbeiten, arbeiten, arbeiten.
Der Kalauer über die Selbständigen kommt hin:
wir arbeiten ständig selbst ...

Gestern lernte ich von unserem Kellner das Pendant dazu kennen.
Er ist Gelegenheitsarbeiter ... er arbeitet bei Gelegenheit ... zu jeder ...

Wir waren also auf Sylt.
Sylt ist Klasse.
Die Natur, die Dünen, die Luft und die endlosen Sandstrände ... ein Traum!
Und wenn man davon genug hatte, fährt man nach Kampen und kommt aus dem Kichern nicht mehr raus.
Kampen besteht aus den teuersten Reetdachhäusern der Welt auf der einen Seite und den überteuertsten, unnötigsten Geschäften der Welt auf der anderen Seite.
Dazwischen liegt tatsächlich eine Straße.
Zwischen den Geschäften laufen lauter Leute herum, die sich im ewigen Wettstreit um Wichtigkeit, Ruhm und öffentlich demonstriertem Reichtum befinden.
Und in jedem Geschäft gibt es gerade einen Gratis-Sekt-Anlass.
Allerdings haben die Shop-Inhaber ein feines Näschen dafür, an wen die Herausgabe von Sekt und Häppchen lohnt.
Wenn Du mit Sonnenbrand, Strandtasche und breitem Grinsen schlenderst, tendiert Deine Chance auf Sekt und Häppchen gen Null!
Der Bummel lohnt dennoch.
Herrlich!
Schon mal eine 5jährige in einem 800,- Euro Sommerkleidchen gesehen?
Oder einen netten Ring für über 400.000,- Euro in einem Schaufenster?
Oh, Schatz, ich habe doch bald Geburtstag ...

Wenn man dann sehen möchte, wie ein Rudel altersloser Magersüchtiger in High Heels und möglichst teurer Kleidung durch den Sand schlendert, muss man zur Sansibar fahren. Extra für diese gestylte Zielgruppe gibt es einen Shuttle-Dienst vom Parkplatz zur Sansibar, wobei diejenigen, die sich als wichtig empfinden (also alle ...), den Parkplatz samt Shutte-Service ignorieren und zur Bar hoch fahren.


In der Sansibar ist man also komplett abgedrehte, überkandidelte Gäste gewohnt.
Der Blick in die Speisekarte überraschte mich dennoch.
Nicht die Preise, sondern das Fehlen eines veganen Angebots.
12 Sonder-Seiten Weine und Spiritousen, aber nirgendwo Veganes.

Ich fragte also den Kellner, was er einem Veganer empfehlen würde und ... nach kurzer Ratlosigkeit empfahl er mir einen Salat.
Dressing bekäme ich extra serviert.
Ok ... wir schlürften den erschwinglichen Hausmarken-Prosecco und erfreuten uns am Anblick der Schönen und Reichen, bis eine hektische Kellnerin mit einem Schwung Schüsseln kam, die sie auf den Tisch verteilte.
Kartoffelsalat in Mayo in der einen, Nudelsalat in Mayo in der anderen, Lauchsalat in saurer Sahne, Brot, Krautsalat und Blattsalat. Den krönenden Abschluss bildete ein Teller roher Schinken, den sie direkt vor mich stellte.
War das jetzt mein Salat?
Unser Kellner erschien wieder, riss den Schinken an sich (meine Begleitung eroberte ihn umgehend zurück) und klärte uns auf, dass dies nicht mein Salat, sondern die Hors d'oeuvre seien.
Eine gute Sache, die Hors d'oeuvre, die jeder speisende Gast bekommt, denn im Endeffekt sind sie oft umfangreicher und sättigender, als die gewählten Speisen.
(bei dem Krautsalat überlegte ich kurz, ob milchsauer gegorener Kohl vegan ist oder nicht, erklärte ihn aber zusammen mit den Blattsalaten als "meins")

Später bekam ich noch mehr Blattsalat. Diesmal mit Cocktaitomaten und einer frischen Feige.
Und 4 Flaschen unterschiedlichen Essigs.

Wir hatten wirklich viel Spaß, aber der Beitrag des Essens zu diesem Vergnügen war eher nebensächlich.
Es begann zu regnen.
Wir kuschelten uns in die Sansibar-Decken, schlürften weiteren Sansibar-Prosecco und verfolgten das wunderschöne Theater, das die Schönen und Reichen in nassem Sand und Regen ablieferten.
Begeisterte 5Jährige in ihren 800,- Euro Sommerkleidchen, mit Kurs auf die nächste Pfütze, verfolgt von Mutti.
Das Jet Set Leben ist sicherlich kein Vergnügen ... da hat man gerade erst sein Carpaccio ausgekotzt und muss dann in High Heels durch Regen und Sand rennen um das eigene Gör davon abzuhalten mit dem teuren Sommerkleidchen in die nächste Pfütze zu springen ...

Auf der anderen Seite drängten sich dann all die Raucher und führten sehr interessante Gespräche darüber, wer genau jetzt der Reichste und Wichtigste unter ihnen ist. Sie waren meist sehr unterschiedlicher Ansicht.

Ok - die Sansibar bietet für Veganer also nur langweiligen Salat, aber das ganze Drumherum ist Klasse!
18,- Euro für 2 kleine Gläser Prosecco, einen Salat und einen Tisch voller Hors d'oeuvre und dazu aber einem herrlich skurrilen Ambiente inmitten einer atemberaubend schönen Dünenlandschaft.

Das machen wir öfter :)

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